griechische Mythologie.

griechische Mythologie.
griechische Mythologie.
 
Die griechische Mythologie umfasst den gesamten Bereich der Erzählungen über griechische Götter und Heroen (Heros); durch sie gewinnt die griechische Religion gedanklichen Ausdruck, und in ihr sind Spuren von anfänglichen Deutungen des Lebens und der Welt zu erkennen.
 
Die griechischen Götter- und Heldensagen gehen bis ins 2. Jahrtausend zurück. Wie in der griechischen Religion finden sich in ihnen orientalische, ägäische und indogermanische Elemente. Die Göttersagen wurden teils übernommen, teils entstanden sie aus Kultsagen, die anthropomorph biographisch erweitert wurden. Die Heldensagen haben vielfach historische Grundlagen und reflektieren wirkliche Personen (so zum Teil in den Heroenkulten) und Ereignisse oder allgemeine Zustände. Eigentümlich griechisch ist das ätiologische Interesse, das Erscheinungen in der Umwelt, im astral-meteorologischen (Phaeton, Boreas und Oreithyia), v. a. aber auch im chthonischen Bereich (Persephone) zu erklären sucht. Auf eschatologische Fragen antworten die Mythen von den Jenseitsfahrten des Herakles und von den »Inseln der Seligen«. Auch Märchenmotive sind in die griechische Mythologie verwoben (z. B. Tarnkappe des Hades und des Perseus).
 
Die Göttermythen umfassen die Erzählungen von der Weltentstehung aus dem Chaos, der Durchsetzung der Herrschaft der olympischen Götter (in den Sukzessionsmythen von Uranos, Kronos und Zeus), der Entstehung und Entwicklung der Menschen (Weltalter, Deukalion, Pandora, Prometheus, Triptolemos) sowie der Beziehungen der Götter zueinander und v. a. zu den Sterblichen. Sagenkreise bildeten sich um große Heroen (Herakles, Theseus) und Heldengruppen (Argonauten, Jagd auf den Kalydon. Eber). Zum troischen Sagenkreis rechnet man die Kämpfe um Troja und die Zerstörung der Stadt (Achill, Agamemnon, Menelaos, Patroklos, Aias, Philoktet, Hektor, Paris, Priamos, Hekabe, Andromache, Kassandra), die langwierige (und zum Teil unglückliche) Heimkehr der Griechen (Agamemnon, Menelaos, Odysseus) und die Schicksale der geretteten Troer (Aeneas, Antenor). Von den Sagen der griechischen Landschaften kommt dem thebanischen Sagenkreis die größte Bedeutung zu (Ödipus, Eteokles und Polyneikes, Sieben gegen Theben, Antigone und Epigonen). Andere größere, landschaftlich gebundene Mythen sind z. B. der Kampf der Lapithen und Kentauren (Thessalien), die Mythen von den Tantaliden-Atriden (Peloponnes), von Perseus (Argos), von Minos (Kreta) und von Orpheus (Thrakien).
 
Schon bei Homer ist eine gewisse Systembildung und eine (durch die adlige Vorstellungswelt bestimmte) Ordnung der Mythen erkennbar. Manche von Homer abweichenden Versionen bei späteren Autoren haben ursprünglicheren Charakter. Ein umfassendes genealogisches System, das auf kosmologischer Grundlage die Götter untereinander und mit den Menschen verband, wurde von Hesiod geschaffen. Die homerischen Hymnen handeln von Kult oder Wesensart einzelner Götter. Die zyklischen Dichter bemühten sich um stoffliche Vervollständigung v. a. für die großen Sagenkreise; aus ihren Werken schöpften die späteren Schriftsteller. In der Chorlyrik (Pindar) dienten die Mythen zur Verherrlichung der Götter, aber auch zur Erhöhung von Menschen und Situationen. Die Gestaltung des Mythos bei den Tragikern zeigte religiöse Vertiefung und starke Bindung an die Polis (Aischylos), andererseits verwies sie auf die Grenzen des Menschen (Sophokles) und vollzog eine Entheroisierung der mythischen Helden, die menschlichen Verhaltensweisen beispielhaft darstellten (Euripides). In der hellenistischen Epoche wurden außergewöhnliche Orts- und Verwandlungssagen gepflegt; in dieser und späterer Zeit entstanden auch mythographische Handbücher (Bibliothek Apollodors, Hyginus u. a.). Eine Vulgata (allgemein verbreitete Ordnung) hatte sich gebildet, in der die griechische Mythologie auch nach Rom drang und in der Rezeption durch die großen Dichter des Augusteischen Zeitalters (Vergil, Horaz, Properz, Ovid) eine neue Blüte erlebte.
 
Während die g. M von den griechischen Historikern rationalistisch gedeutet wurde, war sie vonseiten der Philosophie teils heftiger Kritik ausgesetzt (Xenophanes, auch Platon), teils suchte man sie durch allegorische Deutung mit veränderten religiösen und moralischen Anschauungen zu vereinen (Theagenes von Rhegion, die Stoiker). Eine stark vereinfachende Umdeutung nahm Euhemeros von Messene (Euhemerismus) vor. Auch vom Christentum wurde die griechische Mythologie bekämpft und umgedeutet.
 
In der bildenden Kunst erscheinen mythische Stoffe seit der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr., inhaltlich bestimmt durch die Volksüberlieferung, aber auch durch die Dichtung. - Seit der Renaissance hat die griechische Mythologie bedeutenden Einfluss auf die europäische Kunst und Literatur.
 
In der wissenschaftlichen Behandlung setzte gegenüber allegorischen und symbolistischen (G. F. Creuzer) sowie rationalistische Deutungen aller Art Karl Otfrid Müller im 19. Jahrhundert eine historische Betrachtungsweise der griechischen Mythologie durch, die bald durch indogermanisches und später völkerkundliches Parallelmaterial gefördert wurde (W. Mannhardt, G. Frazer). In neuerer Zeit sah man rational nicht auflösbare Bilder in der griechischen Mythologie (Archetypen C. G. Jungs); die vom Strukturalismus bestimmte Mythendeutung (C. Lévi-Strauss, W. Burkert) erschließt ursprüngliche Lebensformen, mit ihr verwandt ist die soziologische Fragestellung (J. P. Vernant); in letzter Zeit stellt man stärker die ethischen Gewichtungen in der griechischen Mythologie heraus (H. Lloyd-Jones).
 
 
Ausführl. Lex. der griech. u. röm. Mythologie, hg. v. W. H. Roscher, 6 Bde. (1884-1937, Nachdr. 1977, 6 Bde. u. 4 Suppl.-Bde.);
 
Pauly's Real-Encyclopädie der class. Altertumswiss., hg. v. G. Wissowa u. a., 68 Bde., 15 Suppl.-Bde. u. 1 Reg.-Bd. (1893-1980);
 O. Gruppe: Gesch. der klass. Mythologie u. Religionsgesch.. .. (1921, Nachdr. 1965);
 H. J. Rose: Modern methods in classical mythology (Saint Andrews 1930);
 L. Radermacher: Mythos u. Sage bei den Griechen (Brünn 21943, Nachdr. 1968);
 W. F. Otto: Mythos u. Welt (Neuausg. 1963);
 L. Preller: G. M., 6 Bde. (51964-67);
 K. Schefold: Frühgriech. Sagenbilder (1964);
 A. Lesky: Der Mythos im Verständnis der Antike, in: Gymnasium, Jg. 73 (1966);
 
Terror u. Spiel. Probleme der Mythenrezeption, hg. v. M. Fuhrmann (1971);
 H. Dörrie: Der Mythos u. seine Funktion in der antiken Philosophie (Innsbruck 1972);
 J. J. Peradotto: Classical mythology. An annotated bibliographical survey (Urbana, Ill., 1973);
 W. Burkert: Structure and history in Greek mythology and ritual (Berkeley, Calif., 1979);
 
Lexicon iconographicum mythologiae classicae, auf zahlr. Bde. ber. (Zürich 1981 ff.);
 H. Lloyd-Jones: The justice of Zeus (Berkeley, Calif., 21983);
 
Antiker Mythos in unseren Märchen, hg. v. W. Siegmund (1984);
 D. Coenen: Griech. u. röm. Mythologie (21984);
 R. von Ranke-Graves: G. M. (a. d. Engl., Neuausg. 8.-12. Tsd. 1985);
 G. S. Kirk: Griech. Mythen. Ihre Bedeutung u. Funktion (a. d. Engl., Neuausg. 1987);
 J. P. Vernant: Mythos u. Gesellschaft im alten Griechenland (a. d. Frz., 1987);
 H. Hunger: Lex. der griech. u. röm. Mythologie (Wien 81988);
 F. Graf: G. M. Eine Einf. (31991);
 H. Rahner: Griech. Mythen in christl. Deutung (1992);
 H. J. Rose: G. M. (a. d. Engl., 81992);
 K. Kerényi: Die Mythologie der Griechen, 2 Bde. (Neuausg. 14-161994).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Religion in der antiken Gesellschaft
 
Delphi: Das heilige Orakel
 
griechische Religion: Heilige Stätten, Kulte und Feste
 
Mysterien: Kultische Feste zu Ehren von Demeter und Dionysos
 
Olympische Götterwelt: Der Triumph des Zeus
 
Priester, Seher und Orakel im antiken Griechenland
 
Religion im Zeitalter des Hellenismus
 

Universal-Lexikon. 2012.

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